Christina Christen
Präsidentin, Tavola Rosa Zürich (Stammtisch für Frauen mit Brustkrebs)
Steckbrief
Christina, Kanton Zürich, *1964, geschieden, 2 Kinder *1993 & *1994
Sprachen: Deutsch, English, Französisch
Erstdiagnose 07/2004: Triple negativer Brustkrebs
Therapien: Neoadjuvante Chemotherapie, 29.7.- 11.11.2004. Sentineloperation 3.12.2004. Postoperative Radiotherapie der linken Mamma bis 2/2005
05/2015 Brustverkleinerung rechts zur Anpassung an linke Mamma, da deutliche Grössenasymmetrie zu starken Rückenschmerzen führte
offen für Fragen und Austausch -> Kontaktiere EUROPA DONNA
Sommer 2004
Die jährliche Gynäkologische Untersuchung stand an. Auf das Drängen meiner Jüngsten, den Kontrolltermin zu verschieben, um den Schwimmunterricht zu begleiten, ging ich nicht ein. Da beide Geburten nicht komplikationslos verliefen, hielt ich mich stur an die jährlichen Termine. Seit über 6 Monaten war ich zu diesem Zeitpunkt im Juli 2004 von grosser Müdigkeit geplagt, aber mein damaliger Hausarzt nahm mich nicht ernst. Unbeschwert fuhr ich zu meiner Gynäkologischen Untersuchung nach Zürich. Mein damaliger Frauenarzt ertastete sehr schnell einen Knoten in der linken Brust, der tief liegen musste. Ich forderte einen sofortige Ultraschalluntersuchung, um den Knoten beschreiben zu können. Mein Arzt überwies mich mit hoher Dringlichkeit ans Brustzentrum und machte schon einen Termin auf den Nachmittag desselben Tages aus. Draussen vor der Praxis setzte ich mich auf den Brunnen und informierte als erstes meinen Ehemann. Seine Reaktion auf meinen Knoten, verletzte mich: «Muss ich kommen? Wird schon nicht so schlimm sein. Ich habe heute Meetings». Das zweite Telefon ging an meine Schwester. Ihre Reaktion war ganz anders: «Wo bist Du? Wo treffen wir uns? Ich begleite Dich.»
Im Brustzentrum am Nachmittag bestätigte sich der Verdacht, dass der Knoten bösartige Eigenschaften haben könnte. Die genauen Resultate werde ich in einer Woche erhalten. Zum Glück hatte ich meine Schwester dabei, die über Brustkrebsarten berufsbedingt viel wusste, als ich eine Woche später die Diagnose Triple negativer Brustkrebs erhielt und in die Mühle der Therapien eintrat.
Den Kindern diese Diagnose zu erklären, war alles andere als einfach.
Schon 2 Wochen später startete ich mit der 1. Chemotherapie. Meinen Mann schickte ich 4 Tage zuvor mit den Kindern zu seiner Mutter nach Südafrika, da sie eine Lungenembolie erlitt. Ich wusste, er wird mich nicht unterstützen können. Ich muss meinen Weg allein gehen und kann nicht auf ihn zählen. Einzig meine Schwester wird mich begleiten.
Die 6 Chemotherapien vertrug ich sehr gut und hatte sehr viel Energie direkt nach den Infusionen. Meine Schwester und ich gingen nach der Chemotherapie immer zuerst auswärts essen und dann tanzen. In dieser Zeit nahm ich mich wieder selber wahr und lernte wieder auf den Körper zu hören. Auch hatte ich genug Energie, um das Haus zu streichen und meinen Kindern durch meine positive Einstellung die Angst vor meinem Krebs zu nehmen.
Auch neue Freundschaften während der Chemotherapie konnte ich schliessen. Wir spielten Backgammon oder feierten Geburtstag, während unsere «3 Mahlzeiten» in unsere Venen liefen.
Anfangs Dezember hatte ich dann die Operation und der Tumor war von 3 cm auf 9 mm geschrumpft, nahezu direkt vom Brian Adams Konzert landete ich auf dem OP-Tisch. Auch an diesem Tag war mein Mann nicht für mich und die Kinder da. Er brachte sie zu meinem Bruder, damit er seinem Hobby nachgehen konnte. Ich konnte es nicht ändern, obwohl ich dieses egoistische Verhalten nicht gutheissen konnte. Mein grosses Ziel zu diesem Zeitpunkt war mein 40igster Geburtstag, den ich 2 Wochen später in Wien mit meiner Schwester feiern wollte. Natürlich habe ich dies geschafft und feierte kurz vor Weihnachten in Wien den Schritt ins nächste Jahrzehnt meines Lebens.
„Du kannst das Unvermeidliche nicht ändern nur Deine Einstellung dazu.“
Zuviel ist zuviel
Anfangs Januar 2005 startete ich die Radiotherapie in Zürich. Ich liess es mir nicht gross anmerken, doch die Fatigue machte sich bemerkbar. Trotzdem war ich als Familienfrau im Einsatz. In der Mitte der Radiotherapie eröffnete mir mein Ehemann, dass er ein Verhältnis mit der Frau eines mit uns eng befreundeten Ehepaars habe und er mich jetzt verlassen werde, da er und sie ihre Traumwohnung gefunden haben. Ich hätte es ja bald überstanden.
Die 2 Wochen mit Radiotherapie waren dann nicht ganz so einfach. Ich musste die Kinder stützen und mich selbst. Mein Lebenswille war und ist gross. Und immer an meiner Seite: meine Schwester. Als Abschluss der Therapien gönnten wir uns ein Wochenende in Davos, meine Schwester und ich. Auf meinem Rückweg von Davos, ich war allein in Landquart, wurde ich ausgeraubt beim Einsteigen in den Zug. Erst da brach ich zusammen und meine Seele rebellierte. Mein Kurzzeitgedächtnis liess mich im Stich. Alles zusammen, war des Guten zu viel.
Alles was mir wieder aus diesem Loch helfen konnte, war nicht mehr möglich. Ich konnte nicht mehr lesen, fernsehen, malen.
„Back to the roots. Never give up.“
Was tut mir gut? Woraus hole ich Energie? Und was ist in der momentanen Situation möglich?
Ich habe den Weg zurück gefunden durch die Musik. Musikhören war meine Energiequelle (wie in meiner Jugend) und meine Mädels, die ich auch in dieser Verfassung betreute. Kleine Ziele habe ich mir gesetzt. Die ich alle erreichen konnte, obwohl ich mich auch mit Trennungskonventionen etc. auseinandersetzen musste.
Diese schwierige Zeit hat mir aber auch gezeigt: Loslassen.
Was/wer Dir nicht guttut, lasse gehen.
1 Jahr und 2 Monate nach meiner Diagnose konnte ich wieder in meinen Job zurück. Juhhuu!! Ich war so was von glücklich.
Ich konnte auch wieder Reisen. Mein liebstes Hobby.
Foto oben: (Auf einem Jeep-Dach in Uganda)
Mein Wirken bei EUROPA DONNA Schweiz
Anfangs 2006 trat ich bei EUROPA DONNA als aktives Mitglied ein. 2004 gab es noch keine Breast Care Nurse. Ich hatte meine private BCN: Meine Schwester. Ich sah und sehe es auch heute noch so: Jetzt ist es meine Zeit, das weiterzugeben, was mir meine Schwester gab. Verständnis, Spass auch in dunklen Zeiten, Zuversicht, Lebensenergie, ein offenes Ohr und Auge in der Bekämpfung von Brustkrebs. Ich hatte das Glück von meinem Frauenarzt in ein zertifiziertes Zentrum überwiesen worden zu sein. Doch dies darf nicht Glück, sondern sollte selbstverständlich sein.
Mit der «Tavola Rosa» in Zürich hoffe ich Zuversicht und positives Denken weitergeben zu können. Geniesst das Leben, auch wenn es nicht immer einfach ist.